Die gesetzliche Unfallversicherung bietet Versicherungsschutz bei Berufskrankheiten und
Arbeitsunfällen. Zu den Arbeitsunfällen gehören auch Unfälle auf dem Weg von und zur Arbeit, die sogenannten
Wegeunfälle. Auch ein Abweichen von dem direkten Arbeitsweg kann unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich unfallversichert sein.
Dabei muss aber ein ausreichender Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bestehen bleiben. Eine solche Ausnahme kommt gesetzlich
etwa für einen vom Arbeitsweg abweichenden Weg in Betracht, um ein Kind wegen der beruflichen Tätigkeit fremder Obhut
anzuvertrauen (s. § 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]).
So hatte die Klägerin in einem vom 10. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg kürzlich entschiedenen Fall
ihre Tochter im Grundschulalter in Stuttgart zu einem Sammelpunkt auf dem Schulweg begleitet, an dem sich eine Gruppe von Mitschülern
für den restlichen Weg traf. Dieser Sammelpunkt lag, von der Wohnung der Klägerin aus gesehen, in entgegengesetzter Richtung zu
ihrer Arbeitsstätte. Auf dem Weg von dem Sammelpunkt zur ihrer Arbeit, aber noch vor Erreichen des Wegstücks von ihrer Wohnung
zur Arbeit, wurde die Klägerin – als sie trotz einer roten Fußgängerampel eine Straße überquerte – von
einem PKW erfasst. Sie erlitt unter anderem eine Gehirnerschütterung und verschiedene Knochenbrüche. Nachdem die zuständige
gesetzliche Unfallversicherung die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ablehnte, bekam die Klägerin vor dem Sozialgericht Stuttgart
zunächst recht. Sie hatte insbesondere geltend gemacht, dass die Begleitung ihrer Tochter aus Sicherheitsgründen erforderlich
gewesen sei.
Auf die Berufung des Unfallversicherungsträgers hat das LSG Baden-Württemberg die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und
die Klage abgewiesen. Ein Arbeitsunfall setze, wie der zuständige Senat klargestellt hat, u.a. voraus, dass die Verrichtung zur Zeit
des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei. Die Klägerin habe sich zwar im Unfallzeitpunkt objektiv auf dem Weg zu
ihrer Arbeitsstätte befunden. Dies sei freilich nicht hinreichend, denn das Überqueren der Straße am Unfallort zum
Unfallzeitpunkt sei nicht auf dem direkten Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit erfolgt, so dass der erforderliche sachliche
Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit fehle. Bewege sich der Versicherte – wie vorliegend die Klägerin – nicht auf
einem direkten Weg in Richtung seines Ziels, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem fort, handele es sich eben nicht um einen
bloßen Umweg, sondern um einen Abweg. Werde der direkte Weg mehr als geringfügig unterbrochen und ein solcher Abweg allein aus
eigenwirtschaftlichen, also nicht betrieblichen Gründen – ebenfalls wie vorliegend – zurückgelegt, bestehe kein
Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Klägerin habe auch bis zum Eintritt des Unfallereignisses die
unmittelbare Wegstrecke zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht. Der Wegeunfallversicherungsschutz sei
damit zum Unfallzeitpunkt noch nicht erneut begründet worden.
Es liege auch kein ausnahmsweise versicherter Abweg vor. Die Klägerin habe ihre Tochter nicht – wie für den gesetzlichen
Unfallversicherungsschutz insoweit erforderlich – zum Sammelpunkt begleitet, um ihrer Beschäftigung nachzugehen, sondern allein
und ausschließlich aus allgemeinen Sicherheitserwägungen zum Schutz der Tochter. Damit fehle vorliegend jeglicher
sachlich-inhaltlich kausaler Zusammenhang zwischen der Beschäftigung der Klägerin und dem Begleiten der Tochter. Denn erfasst
würden keine Fälle, in denen das Kind unabhängig davon in fremde Obhut verbracht werde, ob der Versicherte seine
Beschäftigung alsbald aufnehmen wolle. Schließlich stelle auch die Begleitung der Tochter zu einem Sammelpunkt der
Kinder-„Laufgruppe“, von wo aus die Grundschulkinder gemeinsam den Schulweg beschritten, schon kein „Anvertrauen in
fremde Obhut“ im Sinne des Gesetzes dar.
Anmerkung: Wenn ein Unfall – wie in dem dargestellten Fall – nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung erfasst ist, wird
Versicherungsschutz typischerweise durch die – gesetzliche oder private – Krankenversicherung gewährleistet. Auch sind
Schülerinnen und Schüler allgemein- und berufsbildender Schulen während des Schulbesuchs sowie auf dem Schulweg gesetzlich
unfallversichert.
Hinweis zur Rechtslage:
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII)
§ 8 Arbeitsunfall
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der
Tätigkeit, |